facebook instagram 
Liebe bloq-Leser*innen,

nur zu gerne wären wir in diesen Newsletter mit der Nachricht eingestiegen, dass bloq #4 bald bei euch unterm Weihnachtsbaum liegt. Aber es ist, wie es ist – unsere neue Ausgabe geht erst im Januar in Druck. Eine gute Nachricht haben wir aber dennoch: Ihr könnt euch schon heute bloq #4 sichern und bekommt die neue Ausgabe dann druckfrisch zu euch nach Hause geschickt: Hier geht's zur Vorbestellung! Damit helft ihr uns gleichzeitig, den Druck zu finanzieren. Genauso könnt ihr uns mit einer Spende unterstützen: Klick!

Das Kernteam, das die Organisation immer noch ehrenamtlich stemmt, ist mittlerweile sehr geschrumpft und wir sind schlicht zu wenig Leute, um all das zu erledigen, was rund um ein neues Magazin erledigt werden muss. Wie es mit bloq weitergeht, entscheiden wir im neuen Jahr. Erstmal konzentrieren wir uns ganz darauf, dass bloq #4 genauso gut wird wie die vorherigen Ausgaben. Und das wird sie – auch wenn es nun etwas länger dauert.

In der Ausgabe zum Thema oben/unten blicken wir vom höchsten Berg der Region auf die Pfälzer Hüttenkultur und graben mit einem Sondengänger nach Schätzen unter der Erde. Wir staunen darüber, dass in Walldorf alle Schüler*innen einen iPad bekommen, während sie in Wiesloch über zugefrorene Flure schlittern. Wir treffen menschliche Hunde und tierische Einwanderer und fragen uns, ob Mannheim wirklich einen Flughafen braucht.

Und in diesem Newsletter trauern wir mit Tobias Breier um das Maifeld Derby, fragen uns, welche Auswirkungen der Pyro-Eklat in Karlsruhe auf die Fanarbeit des SV Waldhof hat und wie rechts die Burschenschaften in der Region sind.
I N T E R V I E W
„Unsere Straße ist das Stadion
Im Oktober wurden drei Mitarbeiter*innen des Fanprojekts des Karlsruher SC zu Geldstrafen verurteilt, weil sie sich geweigert hatten, zu einem Pyro-Technik-Vorfall auszusagen, bei dem neutrale Zuschauer*innen leicht verletzt wurden. bloq hat mit Thomas Balbach, Tilo Dornbusch und Tim Lasse-Krüger vom Fanprojekt Mannheim gesprochen und nachgefragt, ob das Karlsruher Verfahren ihre Arbeit beeinflusst.
Immer in der Kurve: Thomas Balbach und Tilo Dornbusch.
Ihr kennt die Kolleg*innen aus Karlsruhe und seid mit ihnen im Austausch. Wäre so etwas auch in Mannheim denkbar?
Tilo: Theoretisch ist eine solche Situation überall denkbar. Wir haben jedoch die Hoffnung, dass die Kollegin und die beiden Kollegen noch freigesprochen werden. Sie sind in Berufung gegangen. Wir sind der Meinung, dass in der Sache Klarheit geschaffen werden muss – und zwar von Seiten der Politik. Wir brauchen ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter, wenn wir unseren Job richtig erledigen wollen. Die letzte Änderung dazu gab es in den 1970ern. Damals wurde das für die Schwangerschaftskonflikt- und die Suchtberatung geregelt. Es wäre also Zeit, mal wieder etwas daran zu ändern.

Hat ein solches Verfahren Auswirkungen auf eure Arbeit?
Thomas: Natürlich verändert sich etwas. Wenn ich in einer Situation die Gefahr sehe, dass ich Zeuge von etwas Verbotenem werden könnte, dann gehe ich im Zweifelsfall auf Distanz. Gleichzeitig ist es für uns natürlich sehr wichtig, nah dran zu sein. Davon lebt ja unsere Arbeit. Das betrifft übrigens nicht nur akute Situationen, sondern generell die Beziehungsarbeit mit den Fans. Das war vorher anders, weil ich es ehrlich gesagt nicht für möglich gehalten hätte, dass Polizei und Staatsanwaltschaft so etwas durchziehen.

Warum gibt es überhaupt Fanprojekte?
Tilo: Der Ursprung der Fanprojekte liegt in den 1980er-Jahren, als ein Fan von Werder Bremen bei einer Auseinandersetzung mit HSV-Fans ums Leben kam. Damals gab es ein Studienprojekt der Uni Bremen, das die Kurve erforschen wollte. Die haben sich in die Auseinandersetzung eingeschaltet, zwischen den Vereinen vermittelt und das Rückspiel ging ohne besondere Vorkommnisse über die Bühne. Damals hat man gemerkt, dass dieser Ansatz etwas bringt. Heute gibt es 68 Fanprojekte an 61 Standorten.

Tim: Wir erreichen mit unserer Arbeit Jugendliche, bei denen der Fußball im Mittelpunkt steht und die über klassische Angebote wie Jugendhäuser nicht zu erreichen sind. Manche sagen, dass die Fankurven die größten Jugendhäuser Deutschlands sind. Hinzu kommt, dass sich die klassischen Jugendkulturen immer weiter auflösen. Und da kommen die Ultras und die Fußballfans, die keine Ultras sind, ins Spiel, denn sie vereinen viele für Jugendkulturen typische Elemente: Zusammenhalt, Graffiti, ihre eigene Musik.

Wie sieht eure Arbeit konkret aus?
Thomas: Wenn man das herunterbricht, sind wir eigentlich Streetworker. Unsere Straße ist das Stadion. Wir sind an allen Spieltagen – ob Heim- oder Auswärtsspiel – präsent. Die Fans lernen uns kennen und wissen, dass sie, wenn sie Probleme haben, sich an uns wenden können. Im nächsten Jahr wird auch die sogenannte Baracke am Stadion eröffnet, wo wir künftig unseren Sitz haben werden. Unter der Woche werden wir da ein offenes Angebot betreuen – mit Kickern, Playstation, Darts. Die Baracke soll so zu einem Treffpunkt werden, an dem sich die Fans auch austauschen können.

Was sind typische Probleme?
Tim: Wie bei allen Jugendlichen: Stress zu Hause, bei der Arbeit oder in der Schule genauso wie Suchtprobleme. Was darüber hinausgeht, ist, dass man als Ultra an den Spieltagen regelmäßig mit Sicherheitskräften und der Polizei in Berührung kommt und dann auch negative Erfahrungen macht. Hier beraten und unterstützen wir auch, immer im Hinblick auf eine Deeskalation.

Im Fokus steht vor allem die Pyrotechnik. Was ist eure Meinung dazu?
Tilo: Die Gesetzeslage ist klar: Pyro ist verboten. Aber ich finde, man muss auch anerkennen, dass dieses Verbot nicht durchsetzbar ist. Von Rostock bis München wird regelmäßig gezündelt, und oft habe ich das Gefühl, dass es nur gemacht wird, weil es verboten ist. Ich glaube, dass man langfristig besser damit fahren würde, wenn man es – ähnlich wie beim Cannabis – in geregelte Bahnen lenkt. Zum Beispiel mit bestimmten Zonen, wo dann einzelne auch einen Feuerwerkerschein machen müssen. Das würde sehr viel Feuer aus der Diskussion herausnehmen.

Was wünscht ihr euch für die Saison?
Thomas: Den Aufstieg (alle lachen). Realistisch betrachtet wäre ein Platz im gesicherten Mittelfeld schön.

Macht es eure Arbeit schwerer, wenn der Waldhof verliert?
Tilo: Wir haben letzte Saison gemerkt, dass die Anspannung im Abstiegskampf steigt und dann kleinere Konflikte eher eskalieren. Wenn‘s gut läuft, sind alle auch gut drauf – wir eingeschlossen. Denn wir sind ja auch selbst Waldhof-Fans!

Foto: privat
Z A H L D E S M O N A T S

63

…Burschenschaften sind im Korporationsverband der Deutschen Burschenschaft (DB) organisiert. Bis 2008 waren es noch 123, doch interne Richtungskämpfe zwischen liberal-konservativen und offen rechtsextremen Burschenschaften sowie einige Skandale sorgten für zahlreiche Austritte. 2011 stellte die Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn den Antrag, dass nur noch „abstammungsdeutsche Studenten” Mitglied einer Burschenschaft der DB werden können. Anlass dafür war, dass ein Student, dessen Eltern aus China stammen, der Burschenschaft Hansea zu Mannheim beigetreten war. Viele moderatere Burschenschaften – darunter die Hansea – verließen darauf den Verband, die Heidelberger Normannia, die damals den Vorsitz hatte, blieb. Mittlerweile ist jedoch keine Burschenschaft aus der Region mehr Mitglied in dem Verband. Dafür sorgte ein weiterer Skandal: 2020 misshandelten betrunkene Mitglieder der Normannia auf einer Feier einen Studenten. Der Grund: Er hat jüdische Vorfahren. Der Angriff wurde ein Fall für die Justiz, die die Normannia-Studenten bereits in zweiter Instanz zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilte, die Aktivitas wurde aufgelöst. Doch ganz verschwunden ist die Burschenschaft mit Verbindungen in die rechtsextreme Szene nicht – für bloq #4 hat sich unser Autor Maxim Flößer auf ihre Spuren begeben.
K O M M E N T A R

Die Unesco City of Music lässt ihr bestes Pferd verhungern

Das Maifeld Derby 2025 wird das letzte sein. Das hat Festivalgründer und -veranstalter Timo Kumpf verkündet, nachdem er von der Stadt Mannheim nicht die erhofften Zuschüsse bekommen hat und sich so nicht in der Lage sieht, das gemeinnützige Event weiter zu stemmen. Tobias Breier trauert um das Derby und fragt sich, ob Kulturförderung heute nicht grundlegend anders gedacht werden müsste.
Party bald nur noch anderswo? Das Maifeld-Derby gibt auf.
Kennt ihr den? Die Klassik sitzt mit dem Jazz und dem Pop an einem Tisch. Auf dem Tisch liegen zehn Kekse. Die Klassik nimmt sich neun Kekse und sagt zum Jazz: „Pass auf, der Pop nimmt dir gleich deinen Keks weg.”

Seit Jahren fordert der Vorzeige-Popakademiker Timo Kumpf mehr Fördergelder für das Maifeld Derby, das Feinschmecker-Rockfestival von internationalem Renommee. Dafür hat er gute Argumente: Das Maifeld ist chronisch unterfinanziert, die Kosten steigen und er trägt persönlich das wachsende finanzielle Risiko – obwohl er aufgrund der Gemeinnützigkeit keine Gewinne machen darf. Seit 2021 betrug der Zuschuss jährlich 100.000 Euro, laut Kumpf braucht das Festival 2025 mindestens das Doppelte.



Nicht viel Geld im Vergleich zu anderen kulturellen Investitionen. Der Umbau des Nationaltheaters kostet die Stadt mindestens 150 Millionen Euro, die jährliche Förderung liegt bei rund 35 Millionen Euro. Der Betrieb des Nationaltheaters kostet die Stadt somit jeden Tag so viel wie ein ganzes Wochenende Maifeld Derby. Ein Theaterbesuch wird mit rund 100 Euro gefördert, jeder Festivalbesuch nur mit rund 10 Euro. Und da sind die Mittel aus Stuttgart und Berlin noch nicht eingerechnet.

Gerade in Zeiten von Haushaltskürzungen müssten eigentlich auch grundsätzliche Fragen der Kulturförderung diskutiert werden: Wollen wir weiterhin astronomische Summen in bürgerliche Kulturtempel pumpen? Können wir uns das kulturell leisten, dass alles andere kaputt gespart wird? Entsteht gesellschaftlicher Zusammenhalt vielleicht nicht in der hundertsten Wagner-Inszenierung, sondern in einer vielfältigen und ausgewogenen Kulturlandschaft für Menschen mit ganz unterschiedlichen kulturellen Bedürfnissen und Vorlieben?

Mit all den Fördergeldern werden in großen Institutionen aber nicht nur kulturelle Ereignisse geschaffen, sondern auch hochqualifizierte Menschen für die kulturpolitische Kommunikation bezahlt. Ein Apparat aus Fachleuten für Marketing, Kulturvermittlung und PR arbeitet akribisch daran, dass an der Förderung kein Zweifel aufkommt. Timo Kumpf hat keine Lobby und opfert seine Freizeit, wenn er Klinken putzen muss. Seit Jahren eckt er damit an, dass er in ungewohnt drastischen Worten vor dem Ende des Maifeld Derbys warnt. Jetzt wissen alle: Er hat nicht geblufft.

Foto: Florian Trykowski

Noch mehr Lokaljournalismus!

…gibt es nur mit eurer Hilfe. Kauft unsere Hefte und erzählt anderen von uns. Wer uns darüber hinaus unterstützen möchte, kann uns eine Spende zukommen lassen. Als eingetragener Verein können wir auch Spendenquittungen ausstellen.
Entweder mit einer Überweisung
auf unser Konto:

bloq e.V.
Verwendungszweck: Spende
DE21 4306 0967 1043 2755 01
oder per PayPal Spende

> PayPal Spende
Wer eine Spendenquittung benötigt, sollte seine Adresse angeben oder eine kurze Mail an info@bloqmagazin.de schreiben.