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Liebe bloq-Leser*innen,

die kommende Ausgabe nimmt Gestalt an. Anfang April steigt die nächste Redaktionssitzung, bei der wir spätestens auch das Thema von bloq #4 festlegen wollen. Gut im Rennen, so viel sei verraten, liegen „reich“ und „oben/unten“, aber es bleibt spannend! Unterdessen schrumpft unser Vorrat an bloq #3-Ausgaben munter weiter, ganze 150 Hefte haben wir noch auf Lager – dafür ein Dankeschön an alle, die bloq gekauft und uns damit unterstützt haben. Und alle, die noch keine Ausgabe haben, sollten sich beeilen … ;)

Ein paar Hefte müssen wir auch noch zurücklegen, da wir am 21. April von 12 bis 19 Uhr beim „Friiling uffm Willi", dem alternativen Frühlingsmarkt auf dem Wilhelmsplatz in der Heidelberger Weststadt, einen Stand haben. Schaut doch mal vorbei, wir freuen uns!

Die Zeit bis dahin verkürzt euch der Newsletter, in dem bloq-Autor Maxim Flößer über den Zusammenhang von (fehlenden) Lokalmedien und AfD-Wähler*innen berichtet, wir über die Gewerbesteuereinnahmen von Walldorf staunen und uns darüber Gedanken machen, ob Ludwigshafen schöner wäre, wenn es die Ugliest City Tours nicht mehr gäbe.
I N T E R V I E W
„Ohne Lokalzeitung wird es dünn für die Demokratie“
Die Medienlandschaft in Deutschland wird ärmer, in immer mehr Gemeinden gibt es keine Lokalzeitung mehr. Das hat gravierende Folgen – auch auf die Wahlergebnisse. In seiner Masterarbeit hat bloq-Autor Maxim Flößer die Zusammenhänge genauer untersucht und kommt zu einem alarmierenden Ergebnis: In Gemeinden ohne Lokalzeitung stimmten bei der Landtagswahl 2021 in Baden-Württemberg deutlich mehr Menschen für die AfD.
Du hast in deiner Masterarbeit untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Stimmenanteil für die AfD und dem lokalen Medienangebot gibt. Warum hast du dir dieses Thema ausgesucht?
Lokalmedien sind wichtig für die Demokratie. Das wird ja immer gerne behauptet. Und ich wollte herausfinden, ob das stimmt. In den USA ist das Problem noch deutlich gravierender, da gibt es bereits ganze Landstriche ohne eine einzige Lokalzeitung. Und dort gibt es auch schon zahlreiche Studien, die eben genau diesen Zusammenhang belegen: Das Fehlen von lokalen Medienangeboten führt zu einer Polarisierung und dazu, dass Debatten und Kandidat*innen immer extremer werden. Für Deutschland gibt es solche Studien bisher kaum, das wollte ich ändern.

Und? Gibt es einen Zusammenhang?
Ja. Die AfD erreichte bei der Landtagswahl 2021 in Baden-Württemberg 9,7 Prozent. Erfolgreich war die Partei damals vor allem in den Landkreisen Alb-Donau, Calw und Schwäbisch Hall. In Gemeinden wie Setzingen (Alb-Donau), Haiterbach (Calw) oder Fichtenau (Schwäbisch Hall) erzielte sie im Schnitt mehr als 19 Prozent. Das Spannende: Alle genannten Gemeinden haben keine eigene Lokalzeitung.

Das kann natürlich auch Zufall sein.
Ja, das ist möglich. Deshalb habe ich nicht nur einzelne Gemeinden betrachtet. Aber es bleibt ein Unterschied. Das Wahlergebnis der AfD fiel in Gemeinden ohne Lokalzeitung besser aus als in Gemeinden mit mindestens einer Lokalzeitung. Im Durchschnitt um rund 1,6 Prozent.
Aber auch dann bleibt es schwer, eine direkte Kausalität nachzuweisen. Deshalb habe ich auch weitere sozio-ökonomische Faktoren mit einbezogen. Wenn man Arbeitslosigkeit, Wirtschaftsleistung, Bevölkerungsstruktur und andere Faktoren berücksichtigt, schrumpft der Effekt zwar, aber er bleibt bestehen. Die Lokalzeitung ist also nicht der alleinige Faktor, aber ein verstärkender.

Warum ist das so?
Fehlt die Lokalzeitung, fehlt natürlich erstmal ein wichtiger Informationskanal. Und zwar nicht nur über Ergebnisse, sondern auch über die Prozesse, die zu den Ergebnissen führen. Dadurch haben die Menschen das Gefühl, an den Prozessen teilzuhaben und sich auch einbringen zu können. Sie sind insgesamt zufriedener und gehen eher zur Wahl. Fehlt die Lokalzeitung, verstärkt sich das Gefühl, abgehängt zu sein. Die Menschen werden unzufriedener, fühlen sich isoliert und alleingelassen, wählen gar nicht mehr – oder geben eben extremeren Parteien ihre Stimme.

Und was können wir nun dagegen tun?
Weiter guten Journalismus machen! (lacht) Nein, im Ernst. Es braucht natürlich Menschen, die sich für ihre Stadt, für ihre Gemeinde engagieren und über lokale Themen berichten und sich auch kritisch mit Parteien wie der AfD auseinandersetzen. Das bedeutet Falschnachrichten als solche benennen, Behauptungen einordnen und in Interviews genau hinhören, was erzählt wird. Und dafür braucht es mehr gemeinnützigen Journalismus, mehr geförderten Journalismus. Wie das konkret aussehen kann, ob man nun die Politik da mit drin haben will – da bin ich auch überfragt. Aber: Wir brauchen definitiv viel mehr statt weniger Lokaljournalismus, sonst wird es dünn für die Demokratie.

Zwei ausführliche Beiträge über die Studie von Maxim Flößer findet ihr in der KONTEXT:Wochenzeitung: hier und hier.

Karikatur: Oliver Stenzel
Z A H L D E S M O N A T S:

160.000.000

160 Millionen Euro – so viel Gewerbesteuer nimmt Walldorf 2024 voraussichtlich ein. Und das obwohl die Stadt mit 265 Prozent den niedrigsten Hebesatz in ganz Baden-Württemberg hat. Diesen Faktor, mit dem die Gewerbesteuer berechnet wird, legen die Kommunen selbst fest. Den Löwenanteil dieser Einnahmen spült natürlich der Weltkonzern SAP in die Kasse und beschert der Stadt damit seit Jahrzehnten eine sorglose Finanzlage. Im benachbarten Wiesloch rechnet man 2024 gerade mal mit Einnahmen von 15,9 Millionen Euro. Selbst Heidelberg kommt mit geplanten Einnahmen von 158 Millionen nicht an Walldorf heran. Und Ludwigshafen kam trotz BASF im vergangenen Jahr ordentlich ins Straucheln. Die Stadt muss nach einem Gerichtsurteil 170 Millionen Euro an Gewerbesteuern aus mehreren Jahren an Unternehmen zurückzahlen, die geklagt hatten. Ursprünglich hatte die Stadt für 2023 mal mit Gewerbesteuereinnahmen von 150 Millionen gerechnet, durch die Rückzahlungen bleiben nun vermutlich nur noch knapp zwölf Millionen Euro übrig. Eine Katastrophe für die Stadt. Dabei gehörte Ludwigshafen mal zu den reichsten Städten Deutschlands. Genauso wie Sindelfingen, das sich in den 1980er-Jahren sogar Zebrastreifen aus Marmor gönnte.

Während sich also die einen Kommunen dank sprudelnder Gewerbesteuereinnahmen sogar Zebrastreifen aus Marmor gönnen, verkürzen andere die Freibadsaison und verschieben die Sanierung von Schulen. In bloq #4 wollen wir uns dieses zweifelhafte System, mit dem sich Städte und Gemeinden finanzieren müssen, und seine Auswirkungen genauer anschauen. Seid gespannt!

Foto: Max Borchardt
K O M M E N T A R

Nicht länger hässlich

Die Ugliest City Toursbekommen in diesem Jahr keine städtische Förderung mehr. Daniel Grieshaber fragt sich, ob Ludwigshafen dadurch endlich schöner wird.
Eigentlich sollten sie ihm in Ludwigshafen ein Denkmal setzen. Denn was Helmut van der Buchholz mit seinen Ugliest City Tours der „Stadt am Rhein“ – so der originelle Claim, den sich die Stadt verordnet hat – bundesweit beschert hat, davon können die Stadtmarketing-Menschen, die diesen Claim erfunden haben, nur träumen. Ob ZEIT, ARD, ZDF oder das Deutsche-Bahn-Magazin – kaum ein großes Medium, das nicht über van der Buchholz und die besondere Sicht auf seine Heimatstadt berichtete. Doch statt Dank erreichte van der Buchholz im März die Nachricht, dass die Ugliest City Tours 2024 keine städtische Förderung mehr erhalten, da „andere Projekte den Kernthesen und Kriterien der Ausschreibung für den Kultursommer in noch höherem Maße gerecht werden“.

Angesichts der Debatten, die es in den vergangenen Jahren um die Touren gegeben hat, überrascht diese Entscheidung nicht. Vor allem die Stadtratsfraktionen von CDU und vom Grünen Forum/Piraten hatten immer wieder Stimmung gegen die Touren gemacht, weil sie „das eh schon ramponierte Image Ludwigshafens“ schädigen würden, wie sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Uebel auf Nachfrage äußerte. Nun kann man sicher darüber diskutieren, ob der Witz langsam abgenutzt ist. Immerhin ist es schon fünf Jahre her, dass das NDR-Satiremagazin Extra3 Ludwigshafen zur hässlichsten Stadt Deutschlands gekürt und van der Buchholz darauf die Ugliest City Tours aus der Taufe gehoben hatte.

Doch warum sollte van der Buchholz den Namen der Führungen ändern? Zum einen ziehen die Ugliest City Tours weiterhin zahlreiche Teilnehmer*innen an, zum anderen ist Ludwigshafen in diesen fünf Jahren nicht schöner geworden. Ein „Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept“, das auf 160 Seiten beschreibt, wie die Ludwigshafener City wieder auf die Beine kommen könnte, gibt es zwar seit anderthalb Jahren. Allein umgesetzt wurde davon bislang eher wenig.

Letztlich geht diese Diskussion am Kern der Sache auch vorbei. Denn alle, die je an einer Ugliest City Tour teilgenommen haben, wissen, dass van der Buchholz dabei keineswegs nur Ludwigshafen-Bashing betreibt. Vielmehr zeigt er auf seinen Touren, was eigentlich das Besondere an Ludwigshafen ist, was diese Stadt ausmacht. Dabei stehen städtebauliche und architektonische Sünden genauso auf dem Programm wie Orte, die eigentlich das Potenzial hätten, mehr zu sein, als sie im Augenblick sind. Und immer wird deutlich, dass das Problem der Stadt nicht ihr brutalistisches Erbe aus den 60er- und 70er-Jahren ist, sondern ihr Umgang damit: Statt es weiterzuentwickeln und auszustellen, versteckt Ludwigshafen dieses Erbe oder lässt es gleich abreißen. Genau darüber diskutieren die Teilnehmenden auf den Ugliest City Tours regelmäßig und schnell geht es dabei auch um die Frage, wie es in Ludwigshafen wieder schöner werden könnte. Eigentlich eine Steilvorlage, die all jene dankbar nutzen könnten, die sich angeblich so sehr um den Ruf Ludwigshafens sorgen. Doch statt um Veränderung geht es ihnen offenbar nur ums Image. Ludwigshafen ist damit nicht geholfen und schöner wird die Stadt dadurch auch nicht. Oder, wie es Helmut van der Buchholz sagt: Eine andere Stadt ist möglich. Aber dazu muss man sie zumindest auch wollen.

Die Ugliest City Tours gehen auch ohne städtische Förderung weiter. Alle Termine gibt es hier.

Und was bei der Stadtentwicklung in Ludwigshafen noch so schief läuft, erfahrt ihr auch in bloq #2 – falls ihr die Ausgabe noch nicht habt: Hier geht’s zum Shop!

Foto: Lasse Branding

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